Der Lesewonne-Adventskalender 2022 Kläppchen 20

Beitragsbild Lesewonne-Adventskalender 2022 Kläppchen 20

Hallo, schön, dass du da bist,

erinnerst du dich noch daran, wie es heute vor zwei Jahren war? Die Autorin Dagmar Grosch-Rieck weiß es noch ganz genau. Sie hat die Geschehnisse des Corona-Dezembers 2020 in ihrer Heimatstadt Hameln in eine herzerwärmende Geschichte verpackt. Hoffnung und Zuversicht zum Lesen aus der Rattenfängerstadt mit Dagmars „Weihnachten 2020“ gibt es heute im Kläppchen Nummer 20.

Heute zu Besuch: Dagmar Grosch-Rieck

Schön, dass du heute hier bist, liebe Dagmar! Dagmar ist Jahrgang 1965, lebt mit ihrem Hund am Rande der Rattenfängerstadt Hameln und hat einen Sohn und eine Tochter, die beide schon erwachsen sind. Als Erzieherin und Schulbegleiterin für Autisten hat sie sich immer für Inklusion eingesetzt. Heute lebt sie nach eigenen schweren Erkrankungen in Rente.
Dagmar, erzähl‘ doch mal ein bisschen über deine Geschichten und dich und natürlich über Weihnachten.

Mit meinen Geschichten möchte ich Kindern eine Stimme geben. Ich habe Schreibwettbewerbe gewonnen und auf diese Weise wurden zwei Kurzgeschichten und ein Gedicht von mir veröffentlicht. Gerade suche ich einen Verlag für mein Kinderbuch, das von einem Kind im Hospiz handelt.
Neben dem Schreiben verbringe ich viel Zeit mit meinem Hund in der Natur und fotografiere dort gern. Meine weiteren Hobbys sind stricken, lesen und vegan kochen.

In der Vorweihnachtszeit backe ich Plätzchen, falte Fröbelsterne und mag es, Adventskalender zu füllen. Deshalb stelle ich auch gern meine Weihnachtsgeschichte für den Lesewonne-Adventskalender zur Verfügung.

Dagmar Grosch-Rieck

Weihnachten 2020 (von Dagmar Grosch-Rieck)

Die Fußgängerzone wirkte ausgestorben. Die große, geschmückte Tanne am Marktplatz strahlte zwar im gleichen warmen Licht der vergangenen Jahre, aber der aus Holz geschnitzte Lebkuchenmann davor lachte Kindern entgegen, die es dort nicht mehr gab.
Der Weihnachtsmarkt, der als einer der schönsten Deutschlands galt und mit zahlreichen Essens- und Verkaufsständen, Glühweinbuden, Kinderkarussell und Streichelzoo Menschenmengen auf Weihnachten einstimmte, war in diesem Jahr verboten worden.
Es machte sich eine Stille breit, die man hier nicht kannte. Zwar ertönte das Glockenspiel am Hochzeitshaus von Hameln und die Figuren, welche die Rattenfängersage nachspielen, erschienen zu ihren festgelegten Zeiten, doch die Bänke davor blieben unbesetzt. Weder Touristen noch Einheimische waren in Gruppen gern gesehen.
Hin und wieder huschte eine Person vorbei. Hektisch, nach links und rechts blickend, um jeder weiteren im ausreichenden Abstand ausweichen zu können. So ähnlich musste es ausgesehen haben, als vor Jahrhunderten die Rattenplage in Hameln herrschte und die Bürger von den Straßen trieben.
Es gab kein Stehenbleiben, wenn sich zwei vertraute Augenpaare trafen. Kein erwidertes, freundliches Lächeln, denn durch die Masken vor Mund und Nase ließen sich die Gesichtszüge nur schwer einschätzen. Der Corona-Virus war auch hier angekommen.

Die Lage war ernst und der Rat der Stadt hatte sich deshalb etwas Besonderes einfallen lassen. 
Er verteilte an alle Bürger Hamelns Geld-Gutscheine. Die Idee dahinter war, dass die Leute wieder in die Geschäfte der Altstadt gingen und dort mit Gutscheinen einkaufen. Die kleinen Händler würden sich freuen, wenn sie wieder ihre Ware verkaufen könnten und nicht die Läden schließen müssen. Dann kämen auch vielleicht im nächsten Jahr wieder Touristen in die Stadt.
Das war sicher ein gut gemeinter Gedanke, aber wie passte er in die Weihnachtszeit? Ging es in diesen Wochen wirklich hauptsächlich darum, die Geschäfte zu beleben und die Menschen zu vermehrten Käufen anzuregen?

An einem Morgen dieser Adventszeit geschah etwas Seltsames.
In allen Briefkästen der Stadt lag ein roter Umschlag. Manche Bürger, die diesen Umschlag fanden, drehten und wendeten ihn noch vor der Haustür. Adresse und Absender fehlten. Aber man konnte deutlich sehen, wie ein Lächeln über ihr Gesicht huschte, wenn sie den Brief darin überflogen hatten.
Die Menschen nahmen die Gutschein-Aktion der Stadt gut an, kauften in den Geschäften der Innenstadt und Weihnachten nahte.

Am Heiligabend läuteten alle Kirchen der Stadt zugleich. Mächtig und laut, als ginge es darum, jeden einzelnen, vereinsamten Menschen in Wohnung, Heim oder Krankenhaus zu erreichen.
Überall traten die Bürger Hamelns vor ihre Türen, öffneten ihre Fenster weit, grüßten sich und riefen sich gegenseitig ein „Frohes, gesundes Weihnachten“ von weitem zu.
Jeder, wirklich jeder, fand unter seinem Briefkasten ein kleines Päckchen. Teilweise verziert mit einem Kärtchen, Tannenzweig oder besonders glitzerndem Papier.
Die Hamelner Bürger hatten es geschafft, nicht nur die Geschäftsleute zu retten, indem sie bei ihnen eingekauft hatten, sondern sie haben sich gegenseitig eine Freude gemacht und den geschenkten Gutschein für einen Mitbürger verwendet.

So ist Hameln auch in dieser Zeit in die Geschichte eingegangen als eine der ersten Städte, die trotz Corona-Krise ihre Bürger vereint und den Geist der Weihnacht wieder belebt hat. Denn einen Sicherheitsabstand von Herz zu Herz gibt es auch während der Corona-Pandemie nicht! 

Hast du bereits die anderen Kläppchen geöffnet?


Lesegenuss und weihnachtliche Inspiration wünschen dir Dagmar Grosch-Rieck und

Bild von Katherine Ab auf Pixabay

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